Ein Augenscreening wird seit September in einigen Filialen der Drogeriemarktkette dm angeboten. Auch Hautuntersuchungen gehören mittlerweile zu den dm-Gesundheitsdienstleistungen.
von Thomas Gerst
Augenscreening im Supermarkt – neben der Box, in der das Screening durchgeführt wird, finden sich Raumduft und Kerzen im Regal, im Gang dahinter stapeln sich die Hygieneartikel. In Kooperation mit der Düsseldorfer Skleo Health GmbH bietet die Drogeriemarktkette dm interessierten Kunden seit kurzem an drei Standorten in Nordrhein ein KI-gestütztes Augenscreening an. Nach Bezahlung von 14,95 Euro sowie Datenabfrage und Einweisung wird neben der Sehstärkenbestimmung ein Scan der Netzhaut zur KI-Analyse weitergeleitet; frühzeitig sollen so Veränderungen an den Augen erkannt werden, die auf ein Glaukom, diabetische Retinopathie oder altersbedingte Makuladegeneration hindeuten. Wenige Stunden später erhält der Kunde oder die Kundin per Mail den KI-generierten „Ergebnisbericht Ihres Augengesundheits-Checks“ mit Angaben dazu, ob Anzeichen für eine der oben genannten Erkrankungen zu erkennen sind. Der Ergebnisbericht sei „von einem Facharzt für Augenheilkunde ärztlich auf Plausibilität validiert“ worden. Gleichzeitig heißt es im Kleingedruckten unter dem Ergebnisbericht, dass es sich „bei diesem Screening nicht um eine konkrete diagnostische oder therapeutische Leistung handelt und wir weder telefonisch noch per E-Mail Diagnosen stellen oder konkrete Handlungsempfehlungen geben dürfen“. Zur weiteren Abklärung wird der Besuch beim Augenarzt empfohlen.
Skleo Health GmbH will, so heißt es auf deren Homepage, mit digitalen Lösungen Gesundheitsversorgung niederschwellig und für jeden erreichbar machen. Mit dem KI-gestützten Augenscreening, das nicht nur bei dm, sondern auch in Optikerfachgeschäften und Apotheken zum Einsatz kommen soll, will der Augenarzt Dr. Steffen E. Künzel, einer der Gründer von Skleo Health, zudem Arztpraxen von Vorsorge entlasten und Kapazitäten für die Behandlung schaffen.
Kritik vom Berufsverband
Der Berufsverband der Augenärzte (BVA) blickt dagegen kritisch auf das Screening-Angebot im Drogeriemarkt. Ein zusammen mit der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft erarbeitetes Ethikpapier zum KI-Einsatz in der Augenheilkunde habe kürzlich erst festgestellt, dass KI kein Garant für korrekte Ergebnisse und kein validierter Standard in der Medizin und bei Screenings sei, betont der BVA-Vorsitzende Daniel Pleger.
Es gebe keine einheitlichen Vorgaben, die einen fachärztlichen Standard garantierten. Wenig hält Pleger zudem von dem Marketingversprechen, mit dem Augenscreening werde das Gesundheitssystem entlastet. Bei auffälligen Screening-Befunden müssten ohnehin Leistungen in der augenfachärztlichen Praxis in Anspruch genommen werden. „Wir befürchten hier das Entstehen einer teuren Doppelstruktur, die den Betroffenen sogar schaden könnte“, kritisiert Pleger.
Keine Verbesserung der Versorgung
Auch der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Sven Dreyer, äußert starke Vorbehalte gegen das Augenscreening im Drogeriemarkt. „Grundsätzlich sehe ich die Vermischung von Heilkunde und Gewerbe äußerst kritisch. Screening-Untersuchungen sind keine Verkaufsschlager, die man neben Tempotaschentüchern und Lippenstift mal eben mitnimmt.“ Es sei zu befürchten, dass über solche Marketingstrategien das wichtige Thema der Vorsorgeuntersuchungen marginalisiert werde oder dass wichtige Vorsorgeuntersuchungen bei Fachärztinnen und Fachärzten nicht mehr wahrgenommen werden.
Die berufsrechtliche Zuständigkeit der Ärztekammer scheint bei dem dm-Angebot zum Augenscreening unsicher. Vor einer berufsrechtlichen Überprüfung müsste zunächst entschieden werden, ob es sich bei der KI-generierten Bewertung überhaupt um eine ärztliche Leistung handelt; denn gerade das wird im Kleingedruckten unter dem Ergebnisbericht ausgeschlossen.
Ein wenig anders verhält es sich bei der in dm-Filialen beworbenen Online-Haut-Diagnostik von Dermanostic, die durch Dermatologen erfolgt. Hier sieht der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) Anzeichen dafür, dass bei der ausschließlichen Ferndiagnostik – beispielsweise bei Muttermalen – die durch die Berufsordnung vorgegebene ärztliche Sorgfalt nicht gewahrt wird. Aus rein monetären Gründen werde hier eine neue Versorgungsebene eingeführt, kritisiert BVDD-Präsident Dr. Ralph von Kiedrowski. Das Angebot führe nicht dazu, die Versorgung Hautkranker zu verbessern, sondern trage durch Verunsicherung von Patientinnen und Patienten mit auffälligen Ergebnissen noch dazu bei, die Wartezeitenproblematik zu verschärfen. Mittlerweile hat dm auch eine Blutanalyse in Kooperation mit dem darauf spezialisierten Unternehmen Aware Health im Angebot – allerdings erst in einem Standort in Karlsruhe.
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