Vorlesen
Praxis – Arzt und Recht – Folge 149

Patient darf seinem Hausarzt ein Grundstück versprechen – der Arzt darf es aber nicht annehmen

17.09.2025 Seite 19
RAE Ausgabe 10/2025

Rheinisches Ärzteblatt

Heft 10/2025

Seite 19

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am 2. Juli 2025 (Az. IV ZR 93/24), dass ein testamentarisch verfügtes Vermächtnis zugunsten eines behandelnden Arztes wirksam bleiben kann – selbst wenn es gegen berufsrechtliche Vorschriften verstößt.

von Katharina Eibl und Dirk Schulenburg

Gemäß § 32 Abs. 1 der Berufsordnung (BO) für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte, der der (Muster-)Berufsordnung entspricht, ist es Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, von Patienten oder anderen Personen Geschenke oder Vorteile für sich selbst oder Dritte zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.

Schutzgut der Vorschrift ist die Unabhängigkeit der ärztlichen (diagnostischen oder therapeutischen) Entscheidung gegenüber einer Beeinflussung durch Patienten oder Dritte durch die Zuwendung von Geschenken oder anderen Vorteilen. Für einen Verstoß reicht es hierbei schon aus, wenn nur der Eindruck erweckt wird, dass die ärztliche Entscheidung beeinflusst wird. Ob es tatsächlich zu einer Beeinflussung kommt, ist unerheblich.
Rechtsfolgen

  • Berufsrechtlich kann die Ärztekammer den Verstoß gegen § 32 BO im berufsgerichtlichen Verfahren verfolgen und mit den darin zur Verfügung stehenden Sanktionen belegen.
  • Strafrechtlich kann der Verstoß gegen § 32 BO als Vorteilsannahme nach § 331 StGB verfolgt und geahndet werden. 
  • Zivilrechtlich galt bisher die Auffassung, dass eine solche Zuwendung nichtig ist, weil sie gegen eine Rechtsvorschrift verstößt und daher rückabzuwickeln ist.

Dieser Rechtsauffassung hat der BGH nunmehr eine Absage erteilt.
 
Grundstück als Gegenleistung


Im Mittelpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung stand ein 2016 geschlossener notarieller Vertrag zwischen einem Patienten, seinem Hausarzt, einer Pflegekraft und deren Tochter. Darin verpflichtete sich der Arzt, den Patienten medizinisch zu betreuen, Hausbesuche vorzunehmen und telefonisch erreichbar zu sein. Als Gegenleistung sollte er nach dem Tod des Patienten ein Grundstück erhalten.

Noch im selben Jahr errichtete der Patient zudem ein Testament, dass der Pflegekraft das übrige Vermögen zusprach. Nach dem Tod des Patienten trat die Pflegekraft die Erbschaft an. Später wurde über das Vermögen des Arztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter verlangte von der Pflegekraft die Herausgabe des Grundstücks an die Insolvenzmasse und argumentierte, das Vermächtnis zugunsten des Hausarztes sei wirksam, obwohl es gegen ärztliches Berufsrecht verstoße.

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht (OLG) wiesen die Klage ab, da sie die Zuwendung wegen eines Verstoßes gegen die Berufsordnung für unwirksam hielten. Hiergegen legte der Insolvenzverwalter Revision ein.

Testierfreiheit nicht eingeschränkt


Der Bundesgerichtshof stellte nunmehr klar, dass ein möglicher Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 BO nicht automatisch die Nichtigkeit eines Vermächtnisses nach §§ 134, 2171 Abs. 1 BGB zur Folge hat.
Die berufsrechtliche Vorschrift betreffe ausschließlich das Verhältnis zwischen Arzt und Ärztekammer, nicht jedoch das rechtliche Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Ziel des Zuwendungsverbots sei der Schutz der ärztlichen Unabhängigkeit und die Wahrung des Berufsansehens, nicht aber die Einschränkung der Gestaltungsfreiheit des Erblassers. Die Vorschrift verbiete deshalb nur ein Verhalten des Arztes, dem es nicht gestattet sei, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Nicht geschützt von diesem Verbot werde hingegen der zuwendende Patient oder die Erwartung seiner Angehörigen, diesen zu beerben. Die Vorschrift ziele darauf ab, die Unabhängigkeit des behandelnden Arztes sowie das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft zu sichern. Dies könne über berufsrechtliche Sanktionen vonseiten der Ärztekammer ausreichend sichergestellt werden.

Die durch Art. 14 Abs 1 Grundgesetz garantierte Testierfreiheit könne durch eine solche berufsrechtliche Bestimmung nicht eingeschränkt werden, da es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Berufsrechtliche Bestimmungen allein genügten nicht, um die Nachlassverfügung des Erblassers einzuschränken. Zudem sei ein Eingriff in die Verfügungsfreiheit über den Nachlass unverhältnismäßig.

Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies den Fall dorthin zurück. Das OLG muss nun zu prüfen, ob die betroffene Abrede möglicherweise aus anderen Gründen (Sittenwidrigkeit) unwirksam war.

Berufsrechtliche Sanktionen


Auch nach diesem Urteil gilt: Ärztinnen und Ärzten ist die Annahme von Geschenken verboten. Sie stellt einen Verstoß gegen die Berufsordnung dar, und im schlimmsten Fall drohen Sanktionen wie Rügen oder Geldbußen. Je nach Fallkonstellation ist auch die Feststellung der Berufsunwürdigkeit nicht auszuschließen.
Wer in Nachlassangelegenheiten Regelungen trifft, sollte klare vertragliche Grundlagen schaffen, insbesondere wenn Begünstigte in einem beruflichen Abhängigkeitsverhältnis zum Erblasser stehen. Die Entscheidung zeigt: Ein Verstoß gegen Berufsrecht macht eine Zuwendung nicht zwingend unwirksam. Dennoch sollte stets darauf geachtet werden, dass sittliche Maßstäbe gewahrt bleiben. Transparente Gestaltungen können spätere Streitigkeiten vermeiden.

Dr. iur Dirk Schulenburg, MBA, MHMM, ist Justiziar der Ärztekammer Nordrhein und Katharina Eibl, Fachanwältin für Medizinrecht, ist Referentin der Rechtsabteilung.