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Entschließungen der Kammerversammlung am 20. November 2010 im Wortlaut


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Aktuelle Themen der Berufs- und Gesundheitspolitik

Telematik


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Aktuelle Themen der Berufs- und Gesundheitspolitik

Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG), integrierte Versorgung

Der Bundestag hat am 11. November 2010 ein Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) verabschiedet. Dieses Gesetz sieht vor, dass Pharmaunternehmen und Medizinproduktehersteller im Bereich der integrierten Versorgung (§ 140 b) direkte Vertragspartner der Krankenkassen werden können.

Nach Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe ist es vorstellbar, dass sich die Vertragsgestaltung nicht nur auf die Versorgung mit Arzneimitteln bzw. Medizinprodukten beschränkt, sondern dass Pharmaunternehmen oder Medizinproduktehersteller die für eine integrierte Versorgung notwendigen weiteren „Leistungserbringer“ in Form von „Subunternehmern“ mitliefern, die ihnen als „besonders geeignet“ erscheinen. Auf diese Weise erhielte die Industrie eine versorgungspolitische Verantwortung und Steuerungsfunktion, die ihren Stellenwert im Gesundheitswesen gravierend verändert.

Als Folge der geplanten Gesetzgebung würde die Funktion des Arztes im Rahmen solcher Verträge auf den Status des Erfüllungsgehilfen reduziert.

Die Ärztekammer Nordrhein teilt die Befürchtungen der Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe und fordert den Gesetzgeber auf, dafür Sorge zu tragen, dass o. g. Konsequenzen nicht umgesetzt werden können.


Industrie darf nicht Partner von Versorgungsverträgen sein

Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) hat der Gesetzgeber die Integrierte Versorgung für die Hersteller Arzneimitteln bzw. von Medizinprodukten geöffnet. Der geänderte § 140b 8GB V führt "pharmazeutische Unternehmen" ausdrücklich als Partner von Integrationsverträgen. Diese gelten insoweit als „Leistungserbringer".

In Verbindung mit dem ebenfalls durch das AMNOG eingeführten § 130c SGB V (Verträge von Krankenkassen mit pharmazeutischen Unternehmern) verfügt die pharmazeutische Industrie künftig über eine "legale" Option, auf Verordnungs- und Therapieentscheidungen unmittelbar Einfluss zu nehmen.

Diese Neuregelung gefährdet die "ärztliche Unabhängigkeit gegenüber Dritten" (§ 30 Abs. 1 MBO-Ä) und zielt auf eine Vorteilsgewährung für die Verordnung von Arzneimitteln ab (§ 34 Abs. 1 MBO-Ä). Sie verstößt daher nach Auffassung der Kammerversammlung gegen das ärztliche Berufsrecht. Darüber hinaus untergräbt sie das Vertrauen der Patienten in eine von wirtschaftlichen Interessen unbeeinflusste medizinische Behandlung.

Schließlich könnte sich die Neuregelung des AMNOG als Einfallstor erweisen, über welches die Industrie künftig in weiteren Vertrags- und Versorgungsformen eine unmittelbare Therapiekompetenz beansprucht.

Die Kammerversammlung fordert den Gesetzgeber auf, seine Entscheidung für eine Öffnung der Integrierten Versorgung für Unternehmen der pharmazeutischen Industrie und der Medizinproduktehersteller zu revidieren.


Aktive Mitarbeit in der Nutzenbewertung neuer medikamentöser Therapieformen

Die Kammerversammlung beauftragt Vorstand bzw. Geschäftsführung, den Kontakt zum Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) aufzunehmen. Die Kammer soll über ihre Mitteilungsorgane die Mitglieder der nordrheinischen Ärzteschaft bei der Nutzenbewertung neuer medikamentöser Therapieformen  zur aktiven Mitarbeit auffordern.


GOÄ

Bestrebungen des Gesetzgebers, eine Öffnungsklausel für die ärztliche Gebührenordnung zu installieren, werden abgelehnt.


Ärztemangel

Ärztemangel und Überalterung der Ärzteschaft sind ernstzunehmende Probleme. Mit einer deutlichen Verschärfung ist in Zukunft zu rechnen, wenn die Rahmenbedingungen für Ärzte in Klinik und Praxis nicht wieder attraktiv werden. Humane Arbeitszeiten, eine attraktive Vergütung, Planungssicherheit, Bürokratieabbau und eine Wiederherstellung der beruflichen Autonomie von Ärztinnen und Ärzten sind Grundvoraussetzungen, um dem Ärztemangel zu begegnen und eine humane Patientenversorgung wiederherzustellen. Die Schaffung von Anreizen zur Ergreifung und Ausübung des Arztberufes ist notwendig. Planwirtschaftliche Maßnahmen werden als grundsätzlich ungeeignet abgelehnt und haben sich in der Vergangenheit als ungeeignet erwiesen.


Versorgungsstrukturen, Fairer Wettbewerb

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein stellt fest, dass die bestehenden Strukturen in der ambulanten Versorgung mit niedergelassenen Haus- und Fachärzten von großer Bedeutung  sind, um die Probleme des demografischen Wandels zu bewältigen. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, zügig Grundlagen für einen fairen Wettbewerb zwischen sämtlichen Versorgungsstrukturen zu schaffen.


Kostenerstattung in der öffentlichen Diskussion

Äußerungen von Politik oder Krankenkassenverbänden, Kostenerstattung als Transparenzabrechnung sei ein Instrument, um Patienten zu übervorteilen, werden mit Nachdruck zurückgewiesen. Mit dieser Behauptung wird das in weiten Lebensbereichen der sozialen Marktwirtschaft übliche Prinzip, für eine erbrachte Leistung eine Rechnung zu erstellen, in für Ärztinnen und Ärzte inakzeptabler Weise desavouiert. Kostenerstattung hat mit „Vorkasse“ nichts zu tun. Neben der Schaffung von Transparenz dient die Kostenerstattung dem Ziel, ärztliche Leistung nach Qualität und Umfang, wie es nach der Berufsordnung geboten ist, wieder möglich zu machen.


Versorgungsstrukturen – Gegen Verquickung von Körperschaften und Kapitalgesellschaften

Von Mitgliedern ärztlicher Körperschaften gegründete oder auch mittelbar mitbetriebene Versorgungsstrukturen, die Kapitalgesellschaften oder Institute der Finanzwirtschaft als Anteilseigner oder Kapitalgeber einbeziehen, werden abgelehnt. Solche Strukturen ebnen den Befürwortern einer Industrialisierung der Gesundheitsversorgung den Weg und stellen eine Konkurrenz in einem anzunehmender Weise unfairen Wettbewerb zu den bestehenden Versorgungsstrukturen dar.


Patiomed AG

Die Bundesärztekammer wird aufgefordert, ihre über die Teilhaberschaft am Deutschen Ärzteverlag bestehende Beteiligung an der Patiomed AG aufzugeben. Es widerspricht der Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft der Landesärztekammern, der Industrialisierung des Gesundheitswesens den Weg zu ebnen und mithilfe von Insiderwissen eine unfaire Konkurrenz zu den bestehenden Versorgungsstrukturen aufzubauen.


Ärztliche Freiberuflichkeit: Ärzte sind keine Kassenangestellten

Die Ärztekammer Nordrhein verwahrt sich gegen die Auffassung von Institutionen oder Körperschaften, Ärzte seien "Beauftragte des geschäftlichen Betriebs der Krankenkassen“. Diese Auffassung ist falsch. Ärzte sind als Freiberufler ausschließlich dem Wohl des Patienten verpflichtet. Die genannte Auffassung widerspricht der Freiberuflichkeit und der auf den Landesheilberufsgesetzen fußenden Berufsordnung. Diese Rollenzuweisung wird weder durch das Sozialgesetzbuch V noch durch Verträge wie den Bundesmantelvertrag Ärzte begründet.


Versorgungssituation und Ärztegesundheit

Die Kammerversammlung fordert den Vorstand der Ärztekammer auf, dringend und mit Nachdruck bei den verantwortlichen Institutionen und Körperschaften darauf hinzuwirken, Bedingungen wiederherzustellen, unter denen eine angemessene Betreuung unserer  Patientinnen und Patienten bei gleichzeitigem Erhalt der Ärztegesundheit gewährleistet ist.

Hierzu gehören:

  1. Drastischer Abbau von bürokratischen und patientenfernen Aufgaben für Niedergelassene und Klinikärzte
  2. Wiederherstellung einer gesunden wirtschaftlichen Grundlage für die in der Versorgung tätigen Ärztinnen und Ärzte. Eine durchschnittliche Arztpraxis muss bei einer normalen Wochen-Arbeitszeit existenzfähig sein. Patientenferne Tätigkeiten infolge von Bürokratie sowie Fortbildungen sind hier eingeschlossen. 
  3. Das Einwirken auf die Beendigung des Budgets- und Regressdruckes auf  niedergelassene Vertragsärzte

Genitale Mädchenbeschneidung (female genital mutilation)

Die Ärztekammer Nordrhein fordert Maßnahmen zur Stärkung des öffentlichen Bewusstseins über das Problem der genitalen Mädchenverstümmelung. Sowohl  in der Ärzteschaft als auch in zuständigen Institutionen (Schulen, Kindergärten, Ausländerbehörden) ist das Thema im Rahmen des Kinderschutzes intensiver zu diskutieren.


 Müssen Studierende in Nordrhein ihre Krankheiten offenlegen?

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein wendet sich aufs Schärfste gegen die Auslegung von Prüfungsordnungen an Universitäten und Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen, durch die Studierende gezwungen werden, ihren behandelnden Arzt zu bitten, die Symptome der Erkrankung der Universität mitzuteilen, falls die Studierenden wegen einer Erkrankung nicht an einer Prüfung teilnehmen können.

Wenn Studierende zusätzlich oder alternativ zu einem ärztlichen Attest, das die krankheitsbedingte Unfähigkeit bescheinigt, an einer Prüfung teilzunehmen, den Mitarbeitern von Prüfungsämtern Krankheits-Symptome schildern müssen, so  ist dies nicht nur beschämend für den Einzelnen, sondern datenschutzrechtlich höchst bedenklich und untergräbt das Recht der Patienten auf informationelle Selbstbestimmung. Wenn diese Symptome dann durch medizinische Laien bewertet werden, führt diese Praxis in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise zu willkürlichen Ergebnissen. Nur durch Einschaltung einer beruflich ausreichend qualifizierten Instanz, nämlich des Arztes/der Ärztin, kann dieses verhindert werden. Die Kammerversammlung sieht die Notwendigkeit, entweder einen ärztlichen Dienst auf Seiten der Universität einzuschalten oder alternativ die Anforderungen an die Beibringung eines ärztlichen Attestes auf die Bescheinigung der krankheitsbedingten Unfähigkeit, an einer Prüfung teilzunehmen, zu beschränken. Etwaige notwendige Kontrollmaßnahmen sind dann in üblicher Art und Weise durch Einschaltung eines Zweitarztes oder eines Vertrauensarztes vorzunehmen.

Die Kammerversammlung beauftragt den Vorstand, bei der Landesregierung zu klären ob und in welchem Ausmaß auch Hochschulen in Nordrhein betroffen sind.

Unabhängig davon fordert die Kammerversammlung die Landesregierung auf, diese diskriminierende Auslegung von Prüfungsordnungen schnellstmöglich zu beenden.


Direktiven von Hochschulen an Ärzte zur Überprüfung von Gesundheitsstörungen von Studenten bei Prüfungen

Das Arzt-Patienten-Geheimnis darf nicht verletzt werden. Grundsätzlich sollte – analog den gesetzlichen Bestimmungen im Sozialrecht – nur das Ergebnis der Beurteilung zur Prüfungsfähigkeit mitgeteilt werden.


Gen-Diagnostik-Gesetz 

Die Kammerversammlung möge beschließen, dass die Ärztekammer Nordrhein beim Robert-Koch-Institut vorstellig wird und bei der Erarbeitung der Durchführungsbestimmungen zum Gen-Diagnostik-Gesetz die berechtigten Interessen der Ärzteschaft durchsetzt, um eine angemessene, Bürokratie-minimierende und Rechtssicherheit vermittelnde Anwendung des Gesetzes im Arbeitsalltag von Klinik und Praxis zu gewährleisten.


Grundsatz der Tarifpluralität

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem Urteil v. 7. Juli 2010 unter Bezug auf Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz den Grundsatz der Tarifpluralität bestätigt. Das Urteil bestätigt die unmittelbare Verbindlichkeit der vom Marburger Bund für die angestellten Ärztinnen und Ärzte ausgehandelten arztspezifischen Tarifverträge.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) streben nun gemeinsam, diesen Grundsatz der Tarifpluralität aufzuheben und mit Hilfe einer gesetzlichen Regelung stattdessen eine Art Vertretungsmonopol der DGB-Gewerkschaften herzustellen.

Eine derartige Gesetzgebung wäre eine massive Entwertung der in der Verfassung garantierten Koalitionsfreiheit.

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein appelliert an den Gesetzgeber, es bei der durch das Bundesarbeitsgericht bestätigten gegenwärtigen Rechtslage der Koalitionsfreiheit und der Tarifpluralität zu belassen. Es besteht demnach keine Notwendigkeit eine gesetzliche Neuregelung durchzuführen.

Ein Zurückstehen arztspezifischer Tarifverträge gegenüber den anderen Tarifverträgen würde die ohnehin bestehenden Probleme bei der Besetzung ärztlicher Stellen in den Krankenhäusern erheblich verschärfen. Damit würde die Versorgungssicherheit in den Krankenhäusern empfindlich beeinträchtigt.


Mobilität im Praktischen Jahr

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein setzt sich dafür ein, dass die Studierenden im Praktischen Jahr ihre Wahl des Ausbildungsplatzes unabhängig von der von ihnen besuchten Hochschule treffen können.


GKV-Finanzierungsgesetz

Die Kammerversammlung lehnt eine Änderung des SGB V durch das GKV-Finanzierungsgesetz ab, da die Honorar - Ungleichheit der nordrhein-westfälischen Kolleginnen und Kollegen gegenüber vielen anderen Bundesländern fortgeschrieben wird.


Medizinische Versorgungszentren

Die Kammerversammlung fordert den Gesetzgeber auf, dass neu gegründete MVZ nur von Ärzten betrieben werden dürfen. Damit ärztliches Gedankengut, Moral und Ethik bei solchen Unternehmen eine wichtige Rolle spielen und nicht rein ökonomische Interessen im Vordergrund stehen, sollen MVZ partnerschaftlich oder genossenschaftlich betrieben werden, wobei pro betreibendem Arzt maximal 2 Ärzte als Angestellte arbeiten dürfen.


Anhaltende Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz an nordrhein-westfälischen Krankenhäusern 

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein hält die hohe Zahl von Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz in NRW in Krankenhäusern für inakzeptabel, über die auch in der Aktuellen Stunde des Landtages am 12.11.2010 berichtet wurde.

Mit Befremden wird festgestellt, dass bei 101 Verstößen nur 7 Ordnungswidrigkeits-verfahren eingeleitet wurden. Die Kammerversammlung fordert die konsequente Ahndung der Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz.

Des Weiteren wird eine hinreichende personelle Ausstattung der Kontrollbehörden erwartet. Die Liste der geprüften und nicht beanstandeten Krankenhäuser soll veröffentlicht werden.

Der Hinweis auf den Ärztemangel kann diese Verstösse nicht entschuldigen, denn Krankenhäusern, die gezielt Maßnahmen zur Vermeidung oder zum Abbau von Mehrarbeit/Überstunden durchführen, haben im Durchschnitt weniger offene Stellen zu verzeichnen als im Krankenhäuser ohne derartige Maßnahmen.


 Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Medizinstudium 

Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss sich als „roter Faden“ durch alle Stadien einer Berufskarriere ziehen und bereits im Studium beginnen.

Die Kammerversammlung unterstützt die diesbezügliche Forderung des Marburger Bundes und fordert deshalb alle Verantwortlichen auf, verstärkt Überlegungen dahingehend anzustellen, ob und gegebenenfalls welche strukturellen Veränderungen im Medizinstudium und im Praktischen Jahr erforderlich und Ziel führend sind.

So hat der Medizinische Fakultätentag in seiner Resolution vom 04.06.2010 bereits auf die fehlenden einheitlichen Mutterschutzregelungen für die Studienphase, auf fehlende Teilzeitmodelle in Studium und Weiterbildung sowie die unverhältnismäßige Härte in der Anerkennung der Fehlzeiten von nur maximal 20 Tagen hingewiesen (3 (3) ÄAppO).

Es bedarf der gemeinsamen Anstrengungen von Politik, Universitäten und Ärzteschaft, nunmehr zügig zu entscheidenden Verbesserungen zu kommen.


Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Krankenhaus

Die Kammerversammlung begrüßt die zunehmende Erkenntnis der Krankenhausträger, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für viele Beschäftigte im Krankenhaus und vor allem für Ärztinnen und Ärzte immer wichtiger wird.

Zu Recht betont die Studie des Deutschen Krankenhausinstituts zum Ärztemangel im Krankenhaus die Bedeutung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen als einen wesentlichen Standort-, Image- und Wettbewerbsfaktor. So fällt zum Beispiel heute schon der Ärztemangel in Krankenhäusern mit betrieblicher Kinderbetreuung tendenziell niedriger aus als bei den Häusern ohne derartige Leistungen. Ähnliches gilt auch für den zweiten Kernbereich der Vereinbarkeitsthematik, die Arbeitszeitgestaltung. Laut Studie sind in Krankenhäusern, die gezielt Maßnahmen zur Vermeidung oder zum Abbau von Mehrarbeit/Überstunden durchführen, im Durchschnitt 3,3 % der Stellen unbesetzt, während Krankenhäuser ohne derartige Maßnahmen 4,8 % offene Stellen zu verzeichnen haben.

Die Kammerversammlung unterstützt die Forderung des Marburger Bundes und appelliert daher an die Krankenhausträger, ihre Bemühungen fortzusetzen und zu intensivieren. Vereinbarkeit muss als ein Unternehmensziel begriffen und umgesetzt werden. 

Dabei geht es im Wesentlichen um die Themen:

  • Kinderbetreuung
  • Arbeitszeitgestaltung und -flexibilisierung
  • Wiedereinstieg
  • Weiterbildung.

 Versorgungsplanung 

Die Kammerversammlung fordert das Bundesgesundheitsministerium auf, hausärztliche Vertreter in die Planungen zur Neuorganisation der hausärztlichen Versorgungsplanung aktiv einzubinden.


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Telematik

Leitantrag des Vorstandes der Ärztekammer Nordrhein

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein spricht sich dafür aus, die Weiterentwicklung der Telematik im Gesundheitswesen konsequent an einer verbesserten Patientenversorgung und zweckmäßiger organisatorischer Abläufe in Klinik und Praxis zu orientieren. Die Kammerversammlung hat hierzu in ihrer Sitzung am 20. März 2010 ausführlich diskutiert und einen Beschluss gefasst, der weiterhin uneingeschränkt gilt (siehe Anlage 1).

Darüber hinaus begrüßt die Kammerversammlung, dass - nach der vom Bundesgesundheitsminister initiierten Bestandsaufnahme des bundesweiten Telematik-Projektes - zwei der drei als vorrangig definierten Anwendungen unmittelbar der Patientenversorgung dienen und jetzt die Konzeptionsverantwortung bei ärztlichen Organisationen liegt. Hierbei handelt es sich um das Notfalldatenmanagement und die sichere Kommunikation innerhalb der Ärzteschaft (elektronischer Arztbrief).

Die Kammerversammlung spricht sich dafür aus, dass die „Anforderungen an den elektronischen Arztbrief aus ärztlicher Sicht", die der ärztliche Beirat zum Aufbau einer Telematik-Infrastruktur für das Gesundheitswesen in Nordrhein-Westfalen am 27. Oktober 2010 verabschiedet hat, Richtschnur bei der Umsetzung dieses Projektes sind (siehe Anlage 2).

Die Kammerversammlung appelliert an den Bundesgesetzgeber, Vorbehalte gegen den Aufbau einer Telematik-Infrastruktur, wie sie im Beschluss des 113. Deutschen Ärztetages gegen das Projekt „elektronische Gesundheitskarte" zum Ausdruck kommen, nicht zu übergehen. Bundesweit muss die Kompetenz der Ärztinnen und Ärzte aus Praxis und Krankenhaus in den Prozess der weiteren elektronischen Vernetzung des Gesundheitswesens eingebunden werden, wie dies in Nordrhein-Westfalen bereits der Fall ist.

Der ärztliche Beirat in NRW hat die große Chance, neue Technologien im Sinne von Patient und Arzt mitzugestalten. Die Kammerversammlung spricht sich dafür aus, ärztliche Beiräte zur Sicherung der Praktikabilität der Anwendungen im Sozialgesetzbuch V zu verankern. Bei der Berufung der Beiratsmitglieder ist das derzeit in NRW praktizierte Verfahren anzuwenden, das Basis- und Praxisnähe garantiert.


Einholung einer Stellungnahme zur Weitergabe von Diagnosen

Der Vorstand der Ärztekammer Nordrhein wird aufgefordert im Hinblick auf die bestehende Beschlusslage und die Erfordernisse der Vertraulichkeit bei der elektronischen Übermittlung patientenbezogener Daten die ärztlichen Berufsverbände und/oder Fachgesellschaften im repräsentativen Umfang zeitnah bzw. bis zum 30.06.2011 um Vorschläge zum Umgang mit Diagnosen (z. B. auf Basis des ICD 10) in ihrem Fachgebiet unter folgenden Gesichtspunkten zu bitten:

  1. Bei welchen Diagnosen bestehen Bedenken gegen die Weitergabe über den Kreis der Mitbehandelnden hinaus?
  2. Bei welchen Diagnosen bestehen Bedenken gegen eine Weitergabe über den Kreis der unmittelbar in die Behandlung des Patienten unter dieser Diagnose einbezogenen Ärzte/Ärztinnen hinaus?
  3. Welche Diagnosen haben prädiktiven Charakter, d. h. sie lassen langfristige Schlussfolgerungen oder Vorhersagen bezüglich der Arbeits-/Leistungsfähigkeit oder des zukünftigen Verhaltens zu, deren Bekanntwerden Benachteiligungen für den Patienten befürchten lassen?
  4. Welche Diagnosen haben transindividuellen Charakter, d. h. sie lassen langfristige Schlussfolgerungen oder Vorhersagen auf Befunde oder/und Diagnosen für genetisch mit dem Behandelten Verwandte zu, deren Bekanntwerden Benachteiligungen für diese Personen befürchten lassen?
  5. Welche Diagnosen (außer den unter 3 und 4 genannten) führen außerhalb des ärztlichen Behandlerkreises häufig zu Stigmatisierung, so dass beim Bekanntwerden dieser Diagnose konkrete Nachteile für den Patienten zu befürchten sind?
  6. Welche - der unter 1 bis 5 genannten Diagnosen - sollen
    a.) nicht im Notfalldatensatz gelistet werden?
    b.) Welche sollen dennoch regelhaft in einen Notfalldatensatz einbezogen werden?

Telematik-Beirat, Unabhängigkeit der Mitglieder

Entscheidungen der ärztlichen Mitglieder des Telematik-Beirats in NRW müssen frei von aufsichtsrechtlicher Einflussnahme sein. Diese Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung ist und war Grundlage und Voraussetzung für die Institutionalisierung des Telematik-Beirats.