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Bericht zur Lage bei der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein am 2. April 2011 in Düsseldorf


Aktuelle Themen der Berufs- und Gesundheitspolitik

Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich begrüße Sie alle recht herzlich zu unserer Sitzung. Ich bin sehr gespannt auf diese Kammerversammlung heute. Denn wir haben uns ein Schwerpunktthema gewählt, das für uns als Kammer von ganz außerordentlicher Bedeutung ist: Der freiberuflich tätige Arzt im System der Gesetzlichen Krankenversicherung. Mancher von Ihnen wird schon die Formulierung als contradictio in se verstehen.

Vielleicht gehört auch Herr Professor Dr. Udo Steiner dazu? Er wird uns jedenfalls das Thema aus verfassungsrechtlicher Sicht erläutern, denn dazu ist er prädestiniert als Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D.. Wir sind froh, dass Sie heute zu uns gekommen sind.

Die Fragestellungen, denen er in seinem Vortrag nachgehen wird, hängen sehr eng mit der zentralen Aufgabenstellung unserer Ärztekammern zusammen. Wer nach unserem Programm fragt, dem lässt sich mit einem einzigen Begriff antworten. Dieser Begriff lautet: Freiberuflichkeit. Darin sind wir uns alle einig. Unsere wichtigste Aufgabe ist es, die Freiberuflichkeit zu erhalten.

Das bedeutet: Wir Ärztinnen und Ärzte wollen die Entscheidungen in Diagnose und Therapie unabhängig und nach bestem Wissen und Gewissen im Dialog mit unseren Patienten treffen. Weisungsabhängigkeit von nichtärztlichen Dritten in ärztlichen Fragen lehnen wir strikt ab.

Die Entscheidungen im Behandlungsverlauf sollen fallen in einer vertrauensvollen Patient-Arzt-Beziehung, die geprägt ist vom Selbstbestimmungsrecht des Patienten wie von der menschlichen Zuwendung des Arztes und von der ärztlichen Verantwortung.

Wir wollen kein Patient-Arzt-Verhältnis, in dem wir zu Vollstreckern von Sparzwängen degradiert werden. Administratoren einer bürokratischen Checklisten- und Fließbandmedizin wollen wir niemals werden. Denn das beißt sich ganz grundlegend mit unserem Arztbild, das wir auch an die nachfolgenden Generationen unserer Kolleginnen und Kollegen weitervermitteln wollen.

Nun wissen wir alle, wie weit sich die Wirklichkeit in Krankenhaus und Praxis von unserem Ideal der Freiberuflichkeit entfernt hat. Es ist vor allem das Sozialgesetzbuch V, das der der ärztlichen Diagnose- und Therapiefreiheit allzu enge Grenzen setzt.

Die gesundheitspolitischen Reformen der vergangenen Jahrzehnte haben die Freiberuflichkeit untergraben. Politik und Kostenträger haben versucht, immer mehr Einfluss auf unsere Entscheidungen zu nehmen. Sie haben uns vorschreiben wollen, wie viel Geld und wie viel Zeit wir den einzelnen Patienten zukommen lassen dürfen.

Letztlich ist es die Finanzmisere der Gesetzlichen Krankenversicherung, die zu dieser Ökonomisierung der Medizin geführt hat. Der Patient hingegen erwartet vollkommen zu Recht von uns Ärztinnen und Ärzten eine individuelle Behandlung entsprechend den Möglichkeiten der modernen Medizin. Als Versicherter hat er darauf auch ein einklagbares Recht.

Doch leider müssen wir heute feststellen: Die Kassenmedizin ist längst an ihre Grenzen gestoßen. In diesem chronisch unterfinanzierten System ist moderne Medizin nicht immer für jeden gleichermaßen verfügbar.

Wir waren es, die frühzeitig die Folgen der so genannten Kostendämpfungspolitik vorhergesagt und davor gewarnt haben. Das hat nur bedingt gefruchtet, und so sind wir es nun, die im Alltag mit den Folgen zu kämpfen haben: Mit heimlicher Rationierung, Honorarverfall, schlechten Arbeitsbedingungen, bürokratischer Gängelung und last but not least mit einem Nachwuchsproblem.

All diese Schwierigkeiten treten inzwischen dermaßen deutlich zutage, dass sie auch in der politischen und – darüber freue ich mich sehr – der rechtspolitischen Debatte immer klarer benannt werden. Dass im Koalitionsvertrag die Freiberuflichkeit als tragendes Prinzip unserer Gesundheitsversorgung hervorgehoben worden ist, das hat uns denn doch gefreut. So etwas hatten wir zuvor lange nicht mehr gehört. Auch lässt es aufhorchen, wenn der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts von einer „ökonomischen Schlagseite“ des Krankenversicherungsrechts spricht und im Hinblick auf die ärztliche Therapiefreiheit sogar feststellt:

„Die Freiheit von Weisungen gibt es so nicht mehr.“

Dieser Satz von Professor Dr. Ferdinand Kirchhof bestärkt uns in der Annahme, dass der fortschreitende Verlust der Freiberuflichkeit keineswegs nur ein Gespenst ist, der Phantasie einer Ärzteschaft entstammend, die übertriebene Vorstellungen von den Freiheitsgraden ihres beruflichen Handelns hat. Durch immer neue staatliche Eingriffe ist unsere subjektive Schmerzgrenze deutlich überschritten worden, und wir fragen uns: Gibt es auch eine objektive rechtliche Grenze, die sich aus unserer freiheitlichen Verfassung ergibt?

Auch wenn ich auf diese Frage natürlich keine abschließende Antwort erwarte, so bin ich doch sehr gespannt auf Ihre Argumente, Herr Professor Steiner.

In einer anderen verfassungsrechtlichen Frage, die unsere Kolleginnen und Kollegen zurzeit beschwert, gibt es klare Ansagen eines Großteils der Rechtswissenschaft:

Die Bestrebungen der DGB-Gewerkschaften und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände BDA, die tarifpolitische Autonomie des Marburger Bundes zu brechen, halten die allermeisten Experten für verfassungswidrig. Wir hoffen sehr, dass Bundesregierung und Parlament das auch so sehen und dem von BDA und DGB geforderten groben Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 Absatz 3 eine klare Absage erteilen. Dass nun ausgerechnet die kommunalen Arbeitgeber ihrem Tarifpartner Marburger Bund in den Rücken gefallen sind - sie haben gegenüber dem Bundeswirtschaftsminister behauptet, die Ärzte würden den anderen Berufsgruppen schaden - das ist nun wirklich unverschämt. Denn in Wahrheit haben die anderen Berufsgruppen profitiert, und ohne die arztspezifischen Tarifverträge des Marburger Bundes würde sich doch der Ärztemangel auch an den kommunalen Kliniken dramatisch verschärfen.

Schon heute bleiben in den Krankenhäusern viele Stellen unbesetzt, in einigen Abteilungen sogar bis zu 50 Prozent. Allein in Nordrheins Kliniken fehlen über 1.000 Kolleginnen und Kollegen. Ein Blick in den Stellenmarkt des Deutschen Ärzteblattes offenbart jede Woche aufs Neue, wie groß die Nachfrage nach Ärztinnen und Ärzten in Klinik und Praxis ist. In vielen Regionen ist der Ärztemangel inzwischen eine tägliche Erfahrung mit gravierenden Folgen für die medizinische Versorgung. Patienten müssen immer häufiger auf Termine warten und weite Wege bis in die nächste Arztpraxis in Kauf nehmen.

Bis zum Jahre 2020 werden fast 24.000 Hausärzte aus dem System ausscheiden. In den Krankenhäusern werden in den kommenden zehn Jahren fast 20.000 Ober- und Chefärzte altersbedingt in den Ruhestand gehen. Die Ärztinnen und Ärzte, die nachrücken, haben oftmals andere Lebensperspektiven als ihre Vorgängergeneration.

Um Beruf, Familie und Freizeitgestaltung miteinander in Einklang zu bringen, sind viele Kolleginnen und auch Kollegen in Teilzeit tätig. Dadurch sinkt die Wochenarbeitszeit, während die Arbeitslast in Klinik und Praxis stetig ansteigt. So kommt es zu einer Verdichtung von Arbeit, zu Überlastung und zu Demotivation. Ärztinnen und Ärzte verlieren ihre Freude am den Beruf. Das kann so nicht weitergehen, die Arbeit in der Medizin muss endlich wieder attraktiver werden.

Da ist es wenig hilfreich, wenn die Krankenkassen aus Furcht vor steigenden Kosten das Problem des Ärztemangels kleinreden. Ich zitiere einmal aus einem Interview der Tageszeitung Die Welt mit der Vorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes vom vorigen Samstag:

„Wir haben zu viele Ärzte mit eigener Praxis, es gibt zu viele Krankenhausbetten.“

Und an anderer Stelle: „Es wäre besser, wenn die Zulassung als Kassenarzt nur noch auf Lebenszeit vergeben würde. Sie würde automatisch erlöschen, wenn ein Arzt sich zur Ruhe setzt. Die Zulassung auf Zeit wäre ein wichtiger Schritt, um die zu hohe Zahl der Ärzte in den Städten zu senken.“

Soweit ein Beitrag der Krankenkassen-Spitzenfrau Doris Pfeiffer in der Diskussion um das so genannte Versorgungsgesetz. Ich habe ganz erhebliche Zweifel, dass wir auf diese Art und Weise wieder mehr junge Menschen für den Arztberuf und für Niederlassung in freier Praxis begeistern können.

Die Regierungskoalition zeigt immerhin den Willen, die Ursachen des Ärztemangels zu bekämpfen: Keine Preisabstaffelungen, stattdessen Sicherstellungszuschläge in unterversorgten Gebieten, familienfreundlichere Arbeitsplätze an den Kliniken und bessere Studienbedingungen für angehende Mediziner können dazu beitragen.

Noch warten wir auf die Eckpunkte des Versorgungsgesetzes. Wir haben unsererseits deutlich gemacht, dass wir eine zielgenauere Bedarfsplanung brauchen, um Unterversorgung vermeiden zu können. Wir haben auch klar gesagt, dass wir eine sektorübergreifende Perspektive bei der Versorgungsplanung für richtig halten.

Nicht zuletzt würden wir es begrüßen, wenn einmal ein Kontrapunkt zu den zentralistischen Bestrebungen der vergangenen Jahre gesetzt und die Rolle der Landesebene gestärkt würde. Schließlich ist die gesundheitliche Daseinsvorsorge nach dem Grundgesetz Ländersache, tatsächlich aber spielen die sozialgesetzlichen Vorgaben der Bundesebene eine immer größere Rolle. Dabei sind wir doch hier im Land viel näher dran an der tatsächlichen Versorgungslage.

Im Hinblick auf die Motivation der nachwachsenden Ärztinnen und Ärzte ist sicherlich auch von Bedeutung, ob in der öffentlichen Meinung eine dem Wissen, dem Können und der Verantwortung der Ärztinnen und Ärzte entsprechende Wertschätzung zum Ausdruck kommt – oder ob aus durchsichtigen politischen Motiven das Zerrbild vom Falschabrechner, Fehlbehandler und Abzocker gespeist wird.

Ich muss ehrlich zugeben, ich habe mich tüchtig darüber geärgert, was die GKV-Vorsitzende Pfeiffer in dem bereits zitierten Welt-Interview zum Thema Selbstzahlerleistungen von sich gegeben hat:

„Die Ärzte bieten individuelle Gesundheitsleistungen an, weil sie offenbar meinen, dass sie nicht genug verdienen. Dahinter stehen klare ökonomische Motive. Wenn diese Leistungen medizinisch notwendig wären, würden sie von den Kassen bezahlt. Patienten sollten genau nachfragen, was ihnen da verkauft wird. Bei diesen IGeL-Verkaufsgesprächen in der Arztpraxis muss ich immer an Haustürgeschäfte durch Staubsaugervertreter denken. Da werden auch viele Leute leicht überrumpelt oder verunsichert und kaufen etwas, was sie eigentlich nicht brauchen.“

Das ist unanständig, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Das muss man erst einmal hinbekommen. In nur fünf Sätzen so ziemlich alles, was uns verletzt und auf die Palme treibt, zum Besten zu geben.

Sie alle wissen, dass wir als Kammer die Entwicklung bei den IGeL durchaus kritisch verfolgen, und das gilt auch für mich ganz persönlich – zuletzt nachzulesen in unserem Rheinischen Ärzteblatt vom Februar. IGeL grundsätzlich ja, aber richtig - die Regeln müssen eingehalten werden. Das ist unsere Haltung. Es darf keinen Missbrauch geben, zumal wir uns sonst angreifbar machen, siehe Staubsaugervertreter. Aber es darf auch keine pauschale Diskreditierung geben.

Der Vergleich mit dem Haustürgeschäft ist unterste Schublade, spricht Frau Pfeiffer doch damit kollektiv denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die mit ihren GKV-Patienten über medizinisch sinnvolle IGeL sprechen, schlichtweg die Seriosität ab. Das gehört sich nicht. Und es gibt es auch Fälle, in denen es ärztlich unvertretbar wäre, dem Patienten solche Behandlungsmöglichkeiten einfach zu verschweigen – von haftungsrechtlichen Fragen einmal ganz abgesehen.

Der Satz, der unsere höchste Aufmerksamkeit verdient, ist aber ein anderer. Ich zitiere das noch einmal:

„Wenn diese Leistungen medizinisch notwendig wären, würden sie von den Kassen bezahlt.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

so klingt es in Reinform, das allumfassende Leistungsversprechen der GKV. Und das immerhin aus dem Munde der Spitzenvertreterin. Leider sagt sie nicht die Wahrheit. Wir erleben tagtäglich in Klinik und Praxis, dass die GKV unter ihren Finanzierungsrestriktionen den Anschluss an den medizinisch-technischen Fortschritt verliert. Das Gegenteil zu behaupten ist genau die Irreführung der Bevölkerung, aufgrund derer die Rationierung sich heimlich ins Patient-Arzt-Verhältnis einschleichen konnte und eben dieses Verhältnis so massiv beschädigt wird.

Sehr geehrte Frau Pfeiffer,

für die Rationierung sind eine verfehlte Gesundheitspolitik und Kassenvertreter wie Sie verantwortlich, wir lassen uns diesen Schwarzen Peter nicht unterschieben.

Stattdessen werden wir unbeirrt die unbequemen Wahrheiten zur Sprache bringen: Angesichts der perpetuierten Unterfinanzierung GKV ist die Debatte über gerechte, gesellschaftlich akzeptierte Regeln für die Verteilung von solidarisch finanzierten Gesundheitsleistungen unvermeidlich. Es darf kein Tabubruch mehr sein, das allumfassende Leistungsversprechen der GKV als Illusion zu entlarven und über eine Prioritätensetzung zu diskutieren. Sie alle kennen meine Position in dieser Frage. Der richtige Umgang mit der Mittelknappheit wird eine der wichtigsten Herausforderungen für das deutsche Gesundheitswesen in den nächsten Jahren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in einem von Rationierung und Mangelverwaltung geprägten Umfeld scheint mir ein Patientenrechtegesetz nicht geeignet, die Kernprobleme der medizinischen Versorgung zu lösen. Nun war ein solches Gesetz bereits im Koalitionsvertrag angekündigt. Dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Herrn Wolfgang Zöller, ist es ein besonderes Anliegen. Er hat in diesen Tagen ein Grundlagenpapier dazu vorgelegt. Wir haben der Bundesregierung das Signal gegeben, dass wir uns gegen ein solches Gesetz nicht sperren, wenn es den rechtlichen Status quo nur kodifiziert, nicht aber im Kern ändert.

Allerdings haben wir auch kein Hehl daraus gemacht, dass wir ein Patientenrechtegesetz nicht für zwingend erforderlich halten. Wir haben zu bedenken gegeben, dass die Patienten in Deutschland bereits über umfassende Rechte verfügen. Wir haben in internationalen Vergleichen stets hervorragend abgeschnitten, besser als Länder, die ein Patientenrechtegesetz haben.

Die Rechte unserer Patienten sehen wir nicht zuletzt garantiert in den Behandlungsgrundsätzen und Verhaltensregeln unserer ärztlichen Berufsordnung. Hinzu kommen die allgemeinen Vorschriften des Vertragsrechts und des Haftungsrechts sowie nicht zuletzt eine Rechtsprechung, die den Patientenrechten in

den vergangenen Jahrzehnten ein besonderes Gewicht beigemessen hat. So sind wesentliche Maßgaben ärztlicher Berufsausübung von der Judikatur formuliert worden - etwa hinsichtlich der ärztlichen Sorgfalt, der Aufklärung des Patienten, der Dokumentationspflichten oder der Einsicht in die Krankenunterlagen.

Dennoch, das Patientenrechtegesetz wird aller Voraussicht nach in diesem Jahr auf den Weg gebracht. Wolfgang Zöllers Grundlagenpapier enthält im Wesentlichen eine Zusammenfassung der bestehenden Patientenrechte, über den ein oder anderen neuen Akzent wird noch zu sprechen sein.

Eine gesunde Skepsis sei mir erlaubt. Denn es bleibt unsere Überzeugung, dass Heilung oder therapeutische Erfolge nicht anzuordnen sind. Die übermäßigen Regulierungsaktivitäten der vergangenen Jahrzehnte haben zur Verunsicherung der Kollegenschaft geführt. Es bleibt unser Ziel, die Überregulierung des Arztberufes so weit wie möglich zurückzudrehen. Wir wollen Ärztinnen und Ärzte bleiben – und uns nicht zu Defensivmedizinern entwickeln, die riskante Entscheidungen, wie sie unser Beruf nun einmal erfordert, aus forensischen Gründen tunlichst vermeiden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Prinzip der Freiberuflichkeit, das wir auch unseren jüngeren Kolleginnen und Kollegen ans Herz legen wollen, ist heute einmal mehr das Leitthema unserer Kammerversammlung. Deshalb will ich ein letztes bundespolitisches Thema ansprechen, das damit in ganz direktem Zusammenhang steht – nämlich die im Koalitionsvertrag versprochene Novelle der privatärztlichen Gebührenordnung GOÄ.

Da gibt es ein Zeichen, das Hoffnung macht. Das Bundesgesundheitsministerium hat bei der aktuellen Novelle der zahnärztlichen Gebührenordnung, die der Novelle der GOÄ vorausgeht, Abstand genommen von der so genannten Öffnungsklausel. Gegen eine solche Klausel, gefordert vom Verband der Privaten Krankenversicherung, haben wir uns gemeinsam mit der Bundeszahnärztekammer entschieden gewehrt. Denn sie würde Sinn und Zweck einer privatärztlichen Gebührentaxe konterkarieren.

Ich habe hier an dieser Stelle bereits im November gesagt: Zur Freiberuflichkeit gehört eine Gebührenordnung, die das vertrauensvolle Patient-Arzt-Verhältnis wahrt. Daher besteht ihre zentrale Funktion darin, die Vergütung zwischen Arzt und Patient auf klare und faire Weise zu regeln. Soll sie diese ihre Funktion erfüllen, muss sie ein

eigenständiges Bewertungs- und Preissystem für ärztliche Leistungen darstellen.

Und es ist der Staat, der verpflichtet ist, eine solche Gebührenordnung mit leistungsgerechten Bewertungen zu erlassen. Die privatärztliche Gebührenordnung hat - anders als Gebührenregelungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung – nicht die Funktion, innerhalb eines durch Sozialgesetzbuch und Verträge vorgegebenen Finanzrahmens das Honorar zu verteilen.

Die Gebührenregeln in der gesetzlichen Krankenversicherung berücksichtigen auch soziale Aspekte, sie sind durch Sozialrabatte künstlich verbilligt. Die Gebührentaxe GOÄ dagegen ist als sachgerechte Referenzordnung für die Vergütung ärztlicher Arbeit gedacht.

Eine Öffnungsklausel, die den privaten Krankenversicherern und Beihilfeträgern das Recht zu Preisabsprachen mit einzelnen Ärzten oder Krankenhäusern völlig losgelöst von der Amtlichen Gebührenordnung gäbe, würde die staatliche Gebührentaxe zur Makulatur machen. Solche selektiven Verträge würden der privaten Krankenversicherung ein Preisdiktat ermöglichen.

Wir sehen in der Forderung nach einer Öffnungsklausel auch den Versuch, die private Gebührenordnung den Bewertungsmaßstäben der gesetzlichen Krankenversicherung anzugleichen. Wir sind froh, dass dies wohl so nicht kommen wird, denn wir betrachten eine funktionierende GOÄ als unverzichtbares Element unseres freien und zugleich dem Gemeinwohl verpflichteten Arztberufes.

Noch liegt ein weiter Weg vor uns. Immerhin ist es auch dem Bundesgesundheitsminister klar, dass die derzeitige GOÄ total veraltet ist und deshalb grundlegend reformiert werden muss. Der größte Teil des Gebührenverzeichnisses entspricht medizinisch-fachlich wie bewertungsmäßig einem Stand Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts.

Wir sind auf die Reformdebatte gründlich vorbereitet. Die Bundesärztekammer hat – und das mit tatkräftiger Unterstützung aus unserer Kammer Nordrhein – das Leistungsverzeichnis komplett überarbeitet. Außerdem haben wir jede einzelne Position des Einzelleistungskataloges nach einem modernen betriebswirtschaftlichen Bewertungsmodell sauber durchkalkuliert.

Wir werden für den Erhalt der GOÄ als Gebührentaxe unseres Freien Berufes und ihre seit Jahrzehnten überfällige Generalüberholung mit aller Kraft streiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

eine große Verantwortung für die junge Ärztegeneration wie für eine gute Versorgung unserer Patientinnen und Patienten trägt unsere Ärztekammer in der Weiterbildung. Diesem Thema ist heute ein eigener Tagesordnungspunkt gewidmet. Es geht dabei einmal um Änderungen der Weiterbildungsordnung entsprechend der (Muster-)Weiterbildungsordnung, wie sie der Dresdener Ärztetag im vorigen Jahr beschlossen hat. Der Vorsitzende unserer Weiterbildungsgremien, unser Kollege Dr. Dieter Mitrenga, wird uns das ebenso erläutern wie den Stand der Vorbereitung zur Evaluation der Weiterbildung. Im Juni wird ja die zweite Runde unserer bundesweiten Befragung der Weiterbilder und Weiterzubildenden starten. Davon erhoffen wir uns wertvolle Erkenntnisse, wie wir die Weiterbildung verbessern können.

Vor dem Hintergrund des drohenden Hausärztemangels ist es sehr erfreulich, dass unsere zahlreichen Initiativen zur Förderung der hausärztlichen Versorgung weitere Fortschritte gemacht haben. Mit Unterstützung unserer Kreisstellen ist es uns gelungen, in den Städten und Kreisen 20 Verbünde zur Weiterbildung in der Allgemeinmedizin ins Leben zu rufen. Es beteiligen sich 38 Krankenhäuser und über 130 Praxen. Mit Bonn und demnächst mit Essen und Aachen sind auch universitäre Einrichtungen in die Verbünde integriert. Im Sommer werden wir alle Beteiligten zu einem Erfahrungsaustausch einladen.

Es ist dringend erforderlich, die hausärztliche Versorgung mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen zu stärken. Neben den Weiterbildungsverbünden, die Assistenzärztinnen und Assistenzärzten den Einstieg in die Allgemeinmedizin erleichtern sollen, gehört dazu auch eine Stärkung der Allgemeinmedizin an den Hochschulen. Deshalb fordern wir gemeinsam mit unserer Schwesterkammer Westfalen-Lippe, dass kurzfristig an allen medizinischen Fakultäten in Nordrhein-Westfalen ordentliche Lehrstühle und Institute für Allgemeinmedizin eingerichtet werden. Diese Lehrstühle müssen finanziell und personell entsprechend der Bedeutung der Allgemeinmedizin ausgestattet sein.

Außerdem treten wir dafür ein, dass schon frühzeitig im Studium ein Bezug zur Allgemeinmedizin etwa durch Famulaturen in der Hausarztpraxis hergestellt wird. Auch soll das Fach Allgemeinmedizin als Wahlfach im Praktischen Jahr besonders unterstützt werden.

Noch vor der Weiterbildung werden wir uns unter Tagesordnungspunkt 3 mit einer Änderung der Beitragsordnung beschäftigen, die Ihnen Vorstand und Finanzausschuss vorschlagen. Im Kern geht es darum, dass die Selbsteinstufung zum Kammerbeitrag künftig durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides oder eine Bescheinigung des Steuerberaters belegt werden soll. Über die Einzelheiten und die Beweggründe für diesen Vorschlag werden Ihnen der Vorsitzende unseres Finanzausschusses, Herr Fritz Stagge, und der Verbindungsmann unseres Vorstandes zum Finanzausschuss, Herr Dr. Rainer Holzborn berichten.

Ich will dazu nur anmerken, dass wir heute und in Zukunft eine starke Kammer als Rückgrat unserer Freiberuflichkeit brauchen. Eine solidarische, eine gerechte Finanzierung unserer Kammer sichert uns die Gestaltungskraft, unseren vielfältigen und anspruchsvollen Aufgaben gerecht zu werden.

Neben diesem Thema Beitragsordnung hat unseren Vorstand bei seiner Klausursitzung im Februar die Frage der Struktur und der Aufgabenstellung unserer Untergliederungen beschäftigt. Dabei will ich noch einmal ganz klar sagen, dass es um die Struktur auf der ehrenamtlichen Seite geht, damit hier kein Missverständnis entsteht. Denn die Konzentration der hauptamtlichen Mitarbeiter auf im Wesentlichen 8 Servicezentren ist längst abgeschlossen, sodass wir hier keinen Änderungsbedarf sehen. Es geht vielmehr um die Frage der Zusammenarbeit und der Aufgabenverteilung zwischen den Kreistellenvorständen und den Bezirksstellenausschüssen. In den nächsten Wochen, so hat der Vorstand entschieden, soll das Thema in den Fraktionen dieses Hauses weiter besprochen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

lassen Sie mich zum Schluss aus unseren zahlreichen Veranstaltungen, die wir seit der vorigen Kammerversammlung hatten, eine besonders hervorheben, nämlich die Begrüßungsveranstaltung für unsere neuen Mitglieder.

Da konnten wir übrigens ein prominentes Neumitglied begrüßen, nämlich Herrn Professor Dr. Karl Lauterbach, der im vorigen Jahr seine Approbation beantragt hat. Aber das nur nebenbei.

Bei der dritten Veranstaltung dieser Art im Februar hier in diesem Saal war ich zum dritten Mal regelrecht bewegt - und zwar davon, wie intensiv und wie positiv unsere jungen Kolleginnen und Kollegen auf das ärztliche Gelöbnis reagieren.

Die junge Generation sieht die tradierten Grundwerte unseres Berufes keineswegs als veraltet oder gar obsolet an, das lässt sich aus diesen Reaktionen ablesen. Vielmehr empfinden unsere jungen Kolleginnen und Kollegen offenbar ein tiefes Bedürfnis zur Orientierung an Werten. Das lässt hoffen, dass sie sich in unserem Sinne als Freiberufler verstehen und entwickeln werden, die sich allfälligen Diskreditierungen und Trivialisierungen unserer ärztlichen Tätigkeit widersetzen.

Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.