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Entschließungen der Kammerversammlung am 10. November 2012 im Wortlaut


Krankenhausplanung - Versorgungsqualität flächendeckend sicherstellen

Die Kammerversammlung begrüßt die Absicht des Landesgesundheitsministeriums, zum Ende dieses Jahres einen neuen Krankenhausplan für Nordrhein-Westfalen vorzulegen. Damit der Plan den aktuellen und künftigen Herausforderungen der stationären Versorgung in NRW gerecht wird, muss er folgenden zentralen Anforderungen genügen:

1. Flächendeckung

Krankenhäuser müssen als wichtiger Teil der Daseinsvorsorge für alle Bürgerinnen und Bürger gut erreichbar sein. Deshalb darf ein flächendeckendes, sinnvoll gestuftes Versorgungsangebot auch durch Anpassungen der Krankenhauskapazitäten nicht gefährdet werden. Dort, wo Krankenhäuser im ländlichen Raum für die Versorgung unerlässlich sind, muss der Krankenhausplan Voraussetzungen auch für die Durchsetzung von Sicherstellungszuschlägen schaffen.

2. Qualitätsorientierung

Im Gesundheitswesen stehen ökonomische Aspekte vielfach in einem Spannungsverhältnis zur Versorgungsqualität. Dies gilt heute weit mehr als vor 10 Jahren bei der Aufstellung des derzeit noch gültigen Krankenhausplans. Deswegen muss der neue Krankenhausplan einen klaren Rahmen für die Versorgungsqualität vorgeben.

Erforderlich sind insbesondere transparente, ohne bürokratischen Aufwand nachvollziehbare Kriterien zur erforderlichen Personalstärke und Weiterbildungsqualifikation der in einer Abteilung beschäftigten Ärztinnen/Ärzte. Außerdem sind Vorgaben erforderlich, mit denen die Beherrschung von Notfällen und Behandlungskomplikationen auch nachts und am Wochenende ent-sprechend dem Leistungsspektrum des Krankenhauses sichergestellt wird.

3. Ausgewogenheit und Kooperation von Fachgebieten und Versorgungsebenen

Zu einer guten Versorgung gehört eine ausgewogene Berücksichtigung der Kompetenzen der verschiedenen Fachgebiete und Versorgungsebenen.

  • In der Versorgung älterer, multimorbider Menschen ist der erforderliche Ausbau geriatrischer Kapazitäten in ein Konzept für ein ausgewogenes Zusammenwirken mit den übrigen Fachgebieten und über alle Versorgungsebenen einzubinden.
  • Für psychisch und psychosomatisch kranke Menschen muss die spezifische Kompetenz sowohl der Psychiatrie und Psychotherapie als auch der Psychosomatik und Psychotherapie zur Verfügung stehen. Ein Gesamtkonzept für diesen Versorgungsbereich muss daher die Eigenständigkeit auch des Fachgebietes Psychosomatik und Psychotherapie respektieren.
  • Dort, wo - z.B. in der Versorgung von Risikoschwangerschaften und Frühgeborenen - die Benennung von Behandlungsschwerpunkten sinnvoll ist, gilt es besonderen Wert auf eine gute Kooperation und Abstimmung mit den übrigen Versorgungsangeboten zu legen, die die Breite der Versorgung gewährleisten.
4. Fachliche Begleitung der Umsetzung durch die Ärztekammern
  • Die Vorgaben des Rahmenplans wirken sich insbesondere bei der Umsetzung in den regionalen Planungskonzepten konkret auf die Versorgung aus. Dabei ist die regionale Ver-sorgungssituation sektorenübergreifend zu berücksichtigen. Hier ist das durch die Ärztekammern vertretene Versorgungswissen der Ärztinnen und Ärzte aus Klinik und Praxis besonders wichtig.
  • Zur Rolle der Ärztekammern gehört es auch, die Verwirklichung von Qualitäts- und Struk-turvorgaben des Krankenhausplans aus einer fachlichen, gesamtärztlichen Perspektive zu beurteilen und damit eine fundierte Basis für die Entscheidungen in den regionalen Planungskonzepten zu schaffen.
  • Die Auswirkungen von Kapazitäts- und Strukturvorgaben des Rahmenplans in den Regionen sind sorgfältig zu beobachten und auf Ebene des Landesausschusses für Kranken-hausplanung zusammenzufassen, damit die Eckwerte ebenso wie Strukturvorgaben bei Bedarf rechtzeitig angepasst oder ergänzt werden können. Auch hier spielt der ärztliche Sachverstand, den die Kammern einbringen, eine besondere Rolle.

Mit einer Krankenhausplanung, die diesen Anforderungen entspricht, wird das Land seiner Ver-antwortung für die Krankenhausversorgung in Nordrhein-Westfalen gerecht. Zu dieser Verant-wortung gehört jedoch auch eine ausreichende Finanzierung der Krankenhausinvestitionen durch das Bundesland.


Krankenhausinvestitionsfinanzierung verbessern

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein begrüßt die vom Bundesrat angestoßene Diskussion um eine Neuausrichtung der Krankenhausfinanzierung mit dem Ziel, Krankenhäuser nachhaltig finanziell zu sichern.

Sie appelliert in diesem Zusammenhang an die Landesregierung NRW, ihren Verpflichtungen zur Finanzierung dringend notwendiger Krankenhausinvestitionen nachzukommen.

Es ist nicht länger hinnehmbar, dass die Bundesländer ihre Fördermittel kontinuierlich reduzieren. So betrug der Anteil der KHG-Fördermittel am Bruttoinlandsprodukt in Nordrhein-Westfalen 1991 aufgerundet noch 0,18 % und sank auf ebenfalls aufgerundete 0,09% im Jahr 2011. Um zwingend notwendige Investitionen tätigen zu können, müssen die Krankenhäuser vermehrt Einsparungen im laufenden Betrieb vornehmen und Eigenmittel ansparen. Diese Mittel fehlen aber für die Patientenversorgung.


Manipulationsfreie objektive Arbeitszeiterfassung

Die Kammerversammlung fordert die Arbeitgeber aller angestellten Ärztinnen und Ärzte dazu auf, die Arbeitszeiten der angestellten Ärztinnen und Ärzte objektiv und manipulationsfrei zu dokumentieren. Die tatsächlich erbrachten Arbeitszeiten müssen objektiv erfasst werden. Es darf nicht unter Umgehung der arbeitszeitrechtlichen Regelungen zu Manipulationen in der Erfassung der Arbeitsleistung kommen.

Mit der Rechtfertigung personell knapper Ressourcen werden Ärztinnen und Ärzte immer wieder dazu angehalten, ihre Arbeitszeiten nicht oder nur unvollständig zu dokumentieren. Dies führt zu untragbaren Arbeitsbedingungen und eklatanten Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz. Bereitschaftsdienstzeiten in den Kliniken oder Notfalldienste werden zur Vollarbeit, Überstunden werden nicht ausgeglichen. Arbeitgeber, die ihre Angestellten dazu anhalten, Überstunden und Mehrarbeit außerhalb der Zeiterfassung zu leisten, gefährden die Gesundheit von Arzt und Patient. Die Gesundheit von Menschen hängt von der klaren Urteilsfähigkeit und dem Können des Arztes ab. Diese Fähigkeiten dürfen nicht durch physische Überbeanspruchung beeinträchtigt werden.

Eine gute Patientenversorgung ist nur mit einem ausreichenden Stellenschlüssel möglich. Der tatsächliche Bedarf an Ärzten kann aber nur durch eine objektive Zeiterfassung ermittelt werden. Es bedarf hier auch der Mitwirkung der Gewerbeaufsichtsämter, die durch regelmäßige, unangekündigte stichprobenartige Kontrollen den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen. Letztlich liegt es aber auch im eigenen Interesse der Arbeitgeber, durch strukturell voraussichtige Personalpolitik und verlässliche Arbeitszeiten eine gute Versorgungsqualität zu sichern und so auch eine hohe Personalfluktuation zu vermeiden.


Bonuszahlungen veröffentlichen

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert den Bundesgesetzgeber auf, verbindlich festzulegen, dass Krankenhäuser die von Ihnen abgeschlossenen Vereinbarungen und Kriterien für die Vergabe von Bonuszahlungen veröffentlichen müssen.


Belohnung für falsches Handeln? - Ökonomische Anreize in Arbeitsverträgen von Ärztinnen und Ärzten

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft auf, endlich nichtmedizinische Anreize wie umsatz- und fallzahlenorientierte Bonuszahlungen aus ihren Beratungs- und Formulierungshilfen für Chefarztverträge zu entfernen. Die Krankenhausträger werden aufgefordert, auf nicht-medizinische Anreizmechanismen in den Arbeitsverträgen von Ärzten zu verzichten. Kolleginnen und Kollegen steht zudem die berufsrechtliche Überprüfung der Verträge zur Verfügung.

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein warnt eindringlich vor den Folgen falscher Anreize in Chefarztverträgen und vor den nach und nach eintretenden Konsequenzen in Gestalt einer Aushöhlung der Freiberuflichkeit, einer Demotivation der Ärztinnen und Ärzte und vor der Gefahr von Fehlsteuerungen in der Patientenversorgung.


Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) 

Die Kammerversammlung spricht sich dagegen aus, dass nicht-ärztliche Berufsgruppen in die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) integriert werden. Verweise der Gebührenordnungen anderer Berufe auf die GOÄ sind davon unberührt.

Innerhalb der GOÄ sollten die ärztlichen Leistungen hinsichtlich ihrer Anforderungen inhaltlich klar beschrieben werden, ohne durch den Bezug auf einzelne Facharztbezeichnungen bestimmte (Fach-)Arztgruppen ab- oder auszugrenzen.

Die Kammerversammlung spricht sich für eine sorgfältige und transparente Diskussion dieser berufspolitischen Fragen im Zusammenhang mit der GOÄ in der Bundesärztekammer und auf dem 116. Deutschen Ärztetag aus und bittet die jeweiligen Vertreter der Ärztekammer Nordrhein, sich im Sinne der vorgenannten Prinzipien weiterhin aktiv in diese Diskussionen einzuschalten.


GOÄ-Novelle für Ärzte

Initiativen zur baldmöglichen Erstellung und Verabschiedung einer fachlich zeitgemäßen, rein ärztlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) werden von der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein unterstützt.

Diese Gebührenordnung muss eine adäquate Honorierung ärztlicher Leistungen beinhalten. Eine auf diese Weise novellierte GOÄ ist ein Beitrag zur guten Versorgung unserer Patienten und zum Erhalt der ärztlichen Freiberuflichkeit und der Attraktivität des Arztberufes. 


Zwangsbehandlung bei psychischer Erkrankung

Die Kammerversammlung begrüßt ausdrücklich die UN-Behindertenkonvention und sich daraus ergebende Urteile des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesgerichtshofs, wodurch die Rechte von psychischer Erkrankung betroffenen Menschen gestärkt werden. Dadurch ist jedoch eine erhebliche Rechtsunsicherheit bei der unverzichtbaren medizinisch notwendigen Behandlung (Zwangsbehandlung) krankheitsbedingt einwilligungsunfähiger Patienten zur Abwendung eines gesundheitlichen Schadens entstanden.

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein bittet die Landesregierung NRW, möglichst rasch diesen Zustand der Rechtsunsicherheit zu beenden und eine gesetzliche Regelung im PsychKG NRW entsprechend dem Gesetzentwurf, der vom Bundesjustizministerium am 7.11.2012 in das Bundeskabinett eingebracht und dort verabschiedet wurde, auf den Weg zu bringen.


Fehlende gesetzliche Rahmenbedingungen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein fordert die Landesregierung Nordrhein-Westfalen und die Bundesregierung auf, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, nach der krankheitseinsichtunfähige Menschen einer notwendigen medizinischen Behandlung zugeführt werden können.


Vertragspluralität

Die Kammerversammlung unterstützt die Bestrebungen der Ärzteschaft durch Vertrags- und Tarifpluralität die dem Arztberuf angemessene Vergütung zu sichern. Damit beantwortet die Kammerversammlung den durch die Gesetzgebung eingeleiteten Wettbewerb unter marktwirtschaftliche Betrachtungen in den Sozialsystemen.


Entlastung von nicht-ärztlichen Tätigkeiten

Die Kammerversammlung stellt fest: Bürokratische Aufgaben als nicht-ärztliche Tätigkeiten, die von Ärzten in zunehmenden Maße gefordert werden, können und müssen delegiert werden, um die patientenfernen Tätigkeiten auf das notwendige Maß zu beschränken. Vor der Delegation von ärztlichen Tätigkeiten müssen Ärzte zunächst von etwaigen nicht-ärztlichen Tätigkeiten entlastet werden!

Den Ärzten werden zunehmend Verwaltungs-, Dokumentations- und organisatorischen Aufgaben auferlegt, die zu einer Arbeitsverdichtung führen und in der Konsequenz weniger Zeit am Patienten erlauben.

Die überbordende Bürokratie mit der Folge, dass immer weniger Zeit am Patienten selbst verbracht werden kann, ist einer der Hauptkritikpunkte der jungen Ärztinnen und Ärzte, wie u. a. die Umfragen des Hartmannbundes unter seinen Studierenden und Assistenzärzten gezeigt haben.


Unterstützung der Bemühungen zur Verbesserung der Honorarsituation im niedergelassenen Bereich

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein unterstützt  ausdrücklich die Bemühungen zur Verbesserung der Honorarsituation im niedergelassenen Bereich in Nordrhein. Dies beinhaltet auch die Unterstützung der Verhandlungen zur Verbesserung der Honorarsituation auf der regional-nordrheinischen Ebene. 


Mittel zur Raucherentwöhnung

Tabakabhängigkeit ist eine Suchterkrankung und im internationalen Code der Erkrankungen (ICD 10) unter F17.1 bis F17.9 mit 10 Unterdiagnosen gelistet. Die Kammerversammlung fordert daher den Bundestag auf, das SGB V § 34 Abs. 1 Satz 7 dahingehend zu ändern, das Mittel zur Raucher­entwöhnung nicht mit Mitteln zur Verbesserung des Haarwuchses oder zur Steigerung der Potenz in einen Topf geworfen und damit verunglimpft werden. Sie dienen nämlich im Gegensatz zum Tabak nicht der privaten Lebensführung.


Krankenhausplan: Versorgungsqualität flächendeckend sicherstellen

Rheinische Ärzte üben scharfe Kritik an Bonuszahlungen in Krankenhäusern

Ambulante Versorgung: Kassen müssen ihrer Verantwortung gerecht werden

GOÄ: Nordrheinische Ärzteschaft gegen Aufnahme anderer Gesundheitsberufe