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Kind und Karriere – ein Drahtseilakt

Bergisch-Gladbach, 19.3.2021. In nahezu jedem Beruf will der Zeitpunkt der Familienplanung sehr gut überlegt sein. Sie stellt die werdenden Eltern vor die Herausforderung, das Familienleben mit dem eigenen Berufsleben unter einen Hut zu bringen.

Im ärztlichen Bereich bestehen besondere Erschwernisse durch:

  • Schichtsysteme
  • hierarchische Strukturen
  • fehlende Teilzeitmodelle
  • genderspezifische Hindernisse

Häufig bleiben leiden darunter die Karrierepläne junger Ärztinnen und Ärzte. Deshalb sollte Ärztinnen und Ärzte bereits bei der Wahl der Arbeitsstelle darauf achten, dass die Rahmenbedingungen individuell zu der eigenen Lebenssituation passen und gegebenenfalls im persönlichen Gespräch klären, ob flexible Arbeitszeitmodelle und eventuell auch ein strukturiertes Weiterbildungs-Curriculum in Teilzeit angeboten werden können.

Vorstand der Kreisstelle Rheinisch-Bergischer Kreis


 

Ein persönlicher Erfahrungsbericht von Dr. Désirée Ricarda Dirk zum Thema Kind und Karriere – Ein Drahtseilakt:

Als ich selbst 2016 mit meinem Sohn schwanger war, gehörte ich in meinem Krankenhaus zu diesem Zeitpunkt zu den wenigen Chirurginnen in Weiterbildung, die so lange wie möglich operativ tätig sein wollten. Zuvor mündete die Mitteilung der Schwangerschaft fast regelmäßig in Berufsverboten und Freistellung aufgrund des restriktiven, mittlerweile neu gefassten Mutterschutzgesetzes von 1952 und der damit verbundenen Unsicherheit im Umgang mit diesem Thema auf Seite der Arbeitgeber.

Da ich ein Berufsverbot unter allen Umständen vermeiden wollte, recherchierte ich bereits vor Bekanntgabe der Schwangerschaft eingehend über Möglichkeiten, die operative Tätigkeit aufrecht zu erhalten. Fündig wurde ich damals vor Novellierung des Mutterschutzgesetzes bei der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) sowie beim Bund der deutschen Chirurgen (BDC), die zum Thema „Schwanger im OP“ Infomaterial und Checklisten veröffentlichten. Mithilfe dieser Hintergrundinformationen konnte ich sowohl meinem eigenen Chefarzt als auch dem Betriebsarzt ein (wasserdichtes) Konzept vorlegen, welches eine Weiterbeschäftigung im operativen Bereich in Vollzeit ermöglichte.

Dabei spielte sicherlich auch eine Rolle, dass ich in Eigenregie das Gespräch mit dem Strahlenschutzbeauftragten suchte, gemeinsam mit ihm ein elektronisches Personendosimeter (Kumulativ-Dosimeter) organisierte und mich um die Schaffung der entsprechenden Rahmenbedingungen bemühte.

Für alle Kolleginnen und Kollegen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, finden sich hier hilfreiche Informationen:

Operieren in der Schwangerschaft

Projekt "FamSurg" am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Deutscher Ärztinnenbund

Dr. Désirée Ricarda Dirk
Vorstandsmitglied der Kreisstelle Rheinisch-Bergischer Kreis


Ein Impuls von Eva-Charlotte Wieser zum Thema Kind und Karriere – ein Drahtseilakt:

Die Medizin ist weiblich. Inzwischen sind zwei Drittel der Studierenden Frauen. Jedoch sind auch etwa neun von zehn Teilzeitkräfte weiblich. Allerdings sind die oberen Etagen immer noch weitgehend von Männern besetzt. Einige wenige von den männlichen Kollegen haben leider immer noch ein eher negatives und rückschrittliches Bild von Ärztinnen in Teilzeit. Jedoch gibt es auch erfreuliche Ausnahmen, die erkennen, dass eine Veränderung im Denken wichtig und richtig ist. Um ein Teil dieser Veränderung sein zu können und für folgende Generationen etwas zu verändern, will ich mich berufspolitisch engagieren.

Eva-Charlotte Wieser
Vorstandsmitglied der Kreisstelle Rheinisch-Bergischer Kreis


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