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Gendermedizin

„Frauen sind keine zehn Kilo leichteren Männer“

Die Referenten der Fortbildung "Gendermedizin."
Tauschten sich über die Bedeutung einer geschlechtersensiblen Gesundheitsversorgung aus (v.l.): Tal Pecht Ph.D., Dr. Jenny Bischoff (beide Universität Bonn), Allgemeinarzt Dr. Peter Kaup, Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Barbara Steffens (Techniker Krankenkasse), Professor Dr. Petra Thürmann (Universität Witten-Herdecke), Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Professor Dr. Sabine Oertelt-Prigone (Universität Bielefeld) und Professor Dr. Burkhard Sievers (Universität Köln) © Tanja Stöver

Düsseldorf, 22.9.2025. Frauen haben häufiger chronische Rückenschmerzen als Männer, erhalten aber später und weniger Analgetika. Frauen sterben häufiger an Herzkreislauferkrankungen und weisen oft andere Symptome auf als Männer. Frauen zeigen oft stärkere Immunreaktionen. In der Folge leiden sie häufiger an Autoimmunerkrankungen und Impfnebenwirkungen. Frauen verstoffwechseln aufgrund ihrer genetischen und hormonellen Ausstattung viele Medikamente anders als Männer. Am Beispiel von Schmerztherapie, Herzkrankheiten, Immunsystem und Pharmakotherapie erläuterten Expertinnen und Experten am 19. September im Düsseldorfer Haus der Ärzteschaft, wie bedeutsam geschlechtsabhängige Unterschiede für die medizinische Versorgung sind.
„Diese Unterschiede der Geschlechter müssen in Diagnostik und Therapie stärker berücksichtigt werden“, forderte Gerhard Herrmann, zuständiger Abteilungsleiter im NRW-Gesundheitsministerium, das die Veranstaltung gemeinsam mit den beiden Ärztekammern des Landes und dem Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein (IQN) ausgerichtet hatte. Die Ärztinnen und Ärzte müssten für eine geschlechtersensible Gesundheitsversorgung sensibilisiert werden, möglichst schon im Rahmen der ärztlichen Ausbildung. 

Vor diesem Hintergrund appellierte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Sven Dreyer, an die rund 160 anwesenden ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, eigene Vorurteile und Stereotype zu hinterfragen. So unterschieden sich beispielsweise die Symptome von Herzinfarkt und Migräne bei Frauen und Männern zum Teil erheblich, was zu Behandlungsverzögerungen oder sogar Fehlbehandlungen führen könne, wenn sich Ärztinnen und Ärzte dessen nicht bewusst seien. Viele geschlechtsspezifische Unterschiede seien noch nicht gänzlich verstanden, weshalb es größerer Forschungsanstrengungen bedürfe. Die Forschungslandschaft in NRW sieht Dreyer hier unter anderem mit gendermedizinischen Schwerpunkten an den Universitäten Bielefeld, Witten-Herdecke und Duisburg-Essen gut aufgestellt. 

Auf der Theorieebene diskutiere man über Gendermedizin seit 45 Jahren, erklärte der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Hans-Albert Gehle. Schon 1980 habe die amerikanische Forschung auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Kardiologie hingewiesen. „Aber wie ist unser eigenes Handeln? Was tun wir gegen unseren eigenen Bias, der schlimmstenfalls zu falschen Entscheidungen führt?“, fragte Gehle. Im medizinischen Alltag und in der Versorgungspraxis seien viele der theoretischen Erkenntnisse noch nicht angekommen. Hier müsse noch viel Umsetzungsarbeit geleistet werden. Die Pharmakologin Professor Dr. Petra Thürmann von der Universität Witten-Herdecke, die seit 25 Jahren unter anderem zu geschlechterspezifischen Unterschieden in der Pharmakotherapie forscht, formulierte es so: „Frauen sind keine zehn Kilo leichteren Männer“.

HK
 


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