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Vorworte


Vorwort

Die gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient bildet das Fundament jeder medizinischen Behandlung. Sie ist weit mehr als der bloße Austausch von Informationen – sie ist ein zentraler Bestandteil der Therapie selbst. Ein offenes, respektvolles und verständliches Gespräch kann Vertrauen schaffen, Ängste vor Krankheiten abbauen und die aktive Mitwirkung des Patienten an seiner Behandlung fördern. Gleichzeitig ermöglicht eine gelingende Kommunikation Ärzten Symptome besser zu verstehen, Diagnosen präziser zu stellen und Behandlungsentscheidungen gemeinsam mit ihren Patientinnen und Patienten zu treffen.

In einer Zeit, in der moderne Technologien, wirtschaftlicher Druck und administrative Anforderungen den ärztlichen Alltag zunehmend prägen, müssen wir dafür Sorge tragen, dass die zwischenmenschliche Ebene und das einfühlsame Gespräch nicht in den Hintergrund treten. Denn selbst die fortschrittlichste Medizin verfehlt ihre Wirkung, wenn sie den Patienten nicht erreicht. Eine klare, empathische und partnerschaftliche Kommunikation ist nicht nur Ausdruck ärztlicher Professionalität, sondern auch eine ethische Verpflichtung gegenüber dem Menschen hinter der Erkrankung.

Ein gutes Patientengespräch will vorbereitet, strukturiert und gerade auch in herausfordernden Entscheidungssituationen professionell geführt sein. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund einer natürlichen Gabe und ihrer ärztlichen Grundhaltung diesen Kommunikationsansprüchen gerecht werden. Doch für die meisten von uns gilt es, die Regeln guter Kommunikation zu erlernen und sich deren Potenziale für die Patientenbehandlung immer wieder erneut bewusst zu machen – und das sollte systematisch in Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung geschehen.

Daher hatte der Vorstand unserer Ärztekammer Nordrhein bereits 2015 den Wunsch, diesen in der Schweiz entwickelten Praxisleitfaden für Deutschland zu adaptieren. Der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften danken wir herzlich für die großzügige Erlaubnis, den Text an die deutsche Rechtslage und an die stets neuen kommunikativen Anforderungen, die sich beispielsweise durch neue Therapien und Technologien ergeben, anzupassen.

Dr. med Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein


Vorwort der Redaktion

Wir übergeben Ihnen hier die zweite, gründlich überarbeitete und ergänzte Ausgabe der Richtlinien zur professionellen Kommunikation der Ärztekammer Nordrhein. Die erste Version orientierte sie sich an den Leitlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW), jetzt ist die Zeit reif für eine Neugestaltung. Die zunehmende Bedeutung einer professionellen Kommunikation hat vor allem damit zu tun, dass die Präferenzen und Werte von Patientinnen und Patienten qua Gesetz in die gemeinsame Entscheidungsfindung einfließen müssen. Faktenbasierte Entscheidungen hängen wesentlich davon ab, ob Betroffene verstanden haben, zwischen welchen Alternativen sie wählen können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Fachpersonen Fakten verständlich darstellen, sie müssen sich aktiv um die Vorstellungen der Betroffenen bemühen. Beides, das Vermitteln von medizinischen Fakten und das Aufnehmen von individuell bedeutsamen Aussagen, sind zentrale Elemente einer professionellen Kommunikation – anders gesagt: Verständliches Erklären und aufmerksames Zuhören sind gefragt.

Die Nachteile einer ungenügenden Kommunikation sind seit Langem belegt. Dazu gehören zum Beispiel eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Fehldiagnose, ein gestörtes Vertrauensverhältnis, das Anfordern unnötiger Tests und eine mangelhafte Compliance. Auch die Erkenntnis, dass chronische Erkrankungen ohne Beteiligung der Betroffenen schlecht zu behandeln sind, ist nicht neu. Neu ist aber, dass sich die Schulung in professioneller Kommunikation in besseren Behandlungsergebnissen niederschlägt: Für Betroffene mit verschiedenen Krankheitsbildern und für berufsgruppenübergreifende Interventionen sind positive Ergebnisse gut belegt.

Die wesentlichen Elemente einer professionellen Kommunikation sind bekannt, sie lassen sich in der Ausbildung, in der Weiter- und Fortbildung erfolgreich vermitteln.

Obwohl die professionelle Kommunikation die Belange von Betroffenen in den Mittelpunkt stellt, wird das Verhältnis zwischen Arzt / Ärztin und Patient / Patientin weiterhin insofern asymmetrisch bleiben, als fachliche Hilfe dann in Anspruch genommen wird, wenn die eigenen Bewältigungs- und Linderungsversuche nicht ausreichen. In dieser Situation sind viele Betroffene froh, wenn ihnen jemand, der mehr weiß als sie selbst, rät, was zu tun ist.

Eine wichtige und teilweise zwiespältige Entwicklung der letzten Jahre ist die vereinfachte Zugänglichkeit von medizinischen Informationen via Internet, sei es auf mehr oder weniger gut recherchierten Internetseiten oder in Internetforen für Betroffene. Viele Patientinnen und Patienten informieren sich vor dem Besuch bei ihren Ärztinnen und Ärzten über Behandlungsmöglichkeiten, die Möglichkeit, Spezialisten und Spezialistinnen hinzuzuziehen, über Infektionsraten in den operativen Abteilungen von Krankenhäusern etc. Erfahrungen über Nebenwirkungen von Medikamenten – auch solche, die eher einem Nocebo-Effekt zuzuschreiben sind – werden unter Patientinnen und Patienten via Blogs ausgetauscht.

In den letzten Jahren ist im Bereich der professionellen Kommunikation viel erreicht worden, zum Beispiel ist seit 2011 die Beurteilung professioneller Kommunikation im Schweizer Staatsexamen bindend vorgeschrieben, aber es sind auch neue Herausforderungen dazu gekommen: Die Kommerzialisierung der medizinischen Versorgung, die abnehmende stationäre Behandlungsdauer, die kaum noch Raum lässt für Reflexionen der Betroffenen, der Verlust der persönlichen Bindung an eine Fachperson durch Gruppenpraxen mit flexiblen Präsenzzeiten sind Beispiele für solche Herausforderungen. Sich ihnen zu stellen, erfordert eine kontinuierliche und sorgfältige Anpassung der professionellen Kommunikation. Wir hoffen, dass wir mit diesem Leitfaden Fachpersonen praxisnahe Anregungen liefern, ihre Gesprächsführung zu reflektieren und professionell gestalten zu können.

Professor Wolf Langewitz, Basel, Präsident der Redaktionskommission

Dr. med. André Karger MME, Düsseldorf, Co-Vorsitzender der Redaktionskommission